Der Strommarkt muss flexibler werden – diesen Satz hört man in der Energiewirtschaft nur allzu oft. Konkret ist damit gemeint, sowohl Angebot, als auch Nachfrage flexibler zu gestalten, sodass die Versorgungssicherheit und Netzstabilität gewährleistet bleiben. In diesem Zusammenhang wird immer wieder auf den Ausbau von wetterabhängigen und nachhaltigen Energieträgern verwiesen. Diese machen den Energiemarkt anfälliger für Schwankungen, welche wiederum zu Netzengpässen führen können. Unter anderem kann überschüssiger Strom mittels Flexibilitätsvermarktung effizient vermarktet werden und auf der anderen Seite durch Nachfrageüberschüsse entstandene Lücken ausgleichen. Insbesondere Deutschland muss sich allerdings überwiegend mit einer Überproduktion von Strom arrangieren.
Überschüssiger Strom: ein landesweites Problem
Deutschland hat mit rund 36% erneuerbare Energien einen vergleichsweise hohen Anteil an volatilen Energiequellen im Strommix. Gleichzeitig wird ein Großteil dieser Energie in bestimmten geografischen Regionen der BRD hergestellt. Anschließend muss der Strom erst über die sogenannten Stromautobahnen in die Verbrauchergebiete transportiert werden. Der Großteil der Windenergie wird im Norden und an den Küsten des Landes hergestellt, Strom aus Wasserkraft kommt überwiegend aus Bayern. Überschüssiger Strom ist in diesen Regionen keine Seltenheit.
Zusätzlich besteht beim Ausbau des deutschen Stromnetzes Nachholbedarf, sodass sich der Transport teilweise ebenfalls als begrenzender Faktor erweist. Um das Stromnetz nicht zu überlasten, muss der überschüssige Anteil an Strom entweder gespeichert, oder verwertet werden. Die Speicherung von Strom gestaltet sich trotz langer Forschungsarbeiten nach wie vor schwierig, sodass überschüssiger Strom in den meisten Fällen verwertet wird. In Deutschland produzierte Stromüberschüsse werden größtenteils ins Ausland verkauft – zum Teil zu Dumpingpreisen. Alleine in Deutschland gehen Schätzungen von einer Überkapazität an Strom von rund 300% bis zum Jahr 2050 aus. Vor diesem Hintergrund verdeutlicht sich die Notwendigkeit von mehr Flexibilität auf dem Strommarkt.
Überschüssiger Strom stellt eine Chance für Energieversorger dar
Überschüssiger Strom, der nicht abgenommen wird, hat zusätzlich volkswirtschaftliche Auswirkungen. So machen Experten in erster Linie die Überproduktion der letzten Jahre im Zusammenspiel mit der Merit-Order für EEG geförderten Strom an der Strombörse für die vergleichsweise sehr niedrigen Strompreise in Deutschland verantwortlich.
Ausgehend von den geschätzten 30-40 TWh an überschüssigem Strom, die bei gleicher Nachfragestruktur im Jahr 2050 anfallen würden, errechnet sich allein für das Jahr 2050 ein Potenzial von bis zu 1 Milliarde Euro. Für Energieversorger ergibt sich damit eine große Chance. Die Antwort auf zu viel überschüssigen Strom heißt flexibel steuerbare Stromnachfrage. Einige Anbieter bieten in diesem Zusammenhang eine Flexibilitätsvermarktung durch Pooling von mehreren kleineren Kundenanlagen an. Die gepoolten Anlagen können dann im Falle einer Überproduktion überschüssigen Strom abnehmen und verwerten. Außerdem besteht die Möglichkeit, das Energieversorger selbst ihre steuerbare Stromnachfrage erhöhen. Beispiele hierfür wären die Umstellung der Wärmeerzeugung von Öl oder Gas auf Strom oder der Ausbau von Elektromobilität zur Abnahme von überschüssigem Strom.
Es führt kein Weg an einer flexiblen Stromnachfrage vorbei
Der Trend der Energiewirtschaft lässt wenig Raum für andere Szenarien: die Stromerzeugung wird grüner und damit volatiler, sodass Angebot und Nachfrage entsprechend flexibler gestaltet werden müssen, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Solange Strom nur schwer zu speichern bleibt, stellt die Flexibilitätsvermarktung ein geeignetes Konzept dar, um diese Flexibilität auszubauen. Da überschüssiger Strom in Deutschland bereits heute zum Tagesgeschäft gehört, verdeutlicht sich die Notwendigkeit nach mehr Flexibilität auf der Nachfrageseite in der Bundesrepublik. Auch in einem intelligenten Strommarkt (Smart Grid), in dem Angebot und Nachfrage datenbasiert aufeinander abgestimmt sind, führt kein Weg an einer Erhöhung der Flexibilität vorbei.